Spurlos by Sachs Leon

Autor:Sachs, Leon [Sachs, Leon]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Penguin Verlag
veröffentlicht: 2024-09-01T00:00:00+00:00

22

Mut war die Fähigkeit, die eigenen Ängste zu überwinden. Das wusste die Frau, die sich Sofia nannte. Denn nur, weil sie ihre eigenen Ängste überwunden hatte, hatte sie den Mut aufbringen können, ihren eigenen Tod zu überwinden.

Sofia trat aus der Dusche im Badezimmer ihrer kleinen Wohnung in Monselice. Von Dampf umhüllt, wirkte ihr Profil im beschlagenen Spiegel mit der schwarzen Kurzhaarfrisur noch immer ungewohnt. Auch mehr als drei Wochen nach ihrem Friseurbesuch fuhr sie sich noch überrascht mit der Hand über den Nacken und wunderte sich, dass er so frei und verletzlich dalag. Ihre blonden Haare gehörten der Vergangenheit an. Ihre grünen Augen waren ebenso Geschichte, sofern sie die braunen Kontaktlinsen trug. Und inzwischen ging ihr auch der Name Sofia leicht von den Lippen.

»Sofia Fabova«, flüsterte Robin Graf, und es klang besser als befürchtet.

Es war ein weiter Weg gewesen zu ihrer neuen Identität. Es war überhaupt ein weiter Weg gewesen seit dem Treffen mit Friederike Duschek. Eigentlich seit dem Samstag im November, da die beiden Anrufe auf ihrem Notfalltelefon ihre Welt auf den Kopf gestellt hatten. Vier Tage später hatte Robin Graf aufgehört zu existieren. Ums Leben gekommen bei einem tragischen Autounfall auf dem Damm von Kahl am Main, auch wenn die Leiche nicht geborgen worden war.

Robin verfolgte die Berichterstattung in den deutschen Medien über eine verschlüsselte Internetverbindung mit verschleierter Identität, die den Standort ihres Laptops ständig über alle sieben Kontinente wechseln ließ. Hamid hatte den Computer für sie bereitgehalten, zusammen mit allem, was sie für ihre Flucht gepackt hatte. Er hatte sie am Ufer in Empfang genommen und in trockene Decken gehüllt, als sie nass und bis auf die Knochen durchgefroren aus dem See geklettert war. Zuvor hatte sie ihren Lexus mit einem genau kalkulierten Manöver so ins Gewässer gesteuert, als habe sie die Kontrolle über ihr Auto verloren. Dabei hatte sich ihr Fahrsicherheitstraining ausgezahlt, welches sie schon zu Zeiten von Klemens Böhle auf sein Anraten hin absolviert hatte.

Der Rest hatte schnell gehen müssen. Sie hatte das Fenster mit dem bereit gehaltenen Notfallhammer eingeschlagen, ihr Blut am Glas hinterlassen und war zurück an Land gewesen, noch ehe die Limousine ganz untergegangen war. Dann waren sie in seinen Golf gesprungen, mit dem er ihr – das Fernlicht aufgeblendet – auf dem Damm entgegengekommen war. Ihr Ziel: Aschaffenburg. Dort hatten sie sich verabschiedet, und Robin hatte die Nacht in einem Hotel mit digitalem Check-in und ohne Rezeption verbracht.

Am nächsten Morgen hatte sie mit ihrer Verwandlung begonnen. Ihrer kleinen Tasche hatte sie schwarzes Haarfärbemittel, braune Kontaktlinsen und eine Brille ohne Sehstärke entnommen. So war in der Hoteldusche aus einer Blondine eine Schwarzhaarige geworden – zusammen mit Linsen und Brille eine zufriedenstellende Illusion, um erfolgreich unterzutauchen. Mit der Bahn war es anschließend über Würzburg nach Wien gegangen und dann mit dem Bus die knapp achtzig Kilometer weiter nach Bratislava in die Slowakei.

Sie hatte in einem Hotel an der Šancová übernachtet und war am folgenden Tag zu einem Friseur gegangen, um ihren nun schwarzen Haaren einen anständigen Schnitt zu verpassen. Nach einem Blick in

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